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Erstellt: 11. Oktober 2021
Muss- und Sollangaben bei der Massenentlassungsanzeige
Von Rechtsanwältin Anna Fischer
Gemäß § 17 KSchG hat der Arbeitgeber unter gewissen Voraussetzungen eine Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit zu erstatten. Diese Anzeige dient dem Zweck, die Agentur für Arbeit vorzuwarnen und eine Weitervermittlung der betroffenen Arbeitnehmer in eine neue Beschäftigung zu erleichtern. Eine ordnungsgemäße Erfüllung des Massenentlassungsanzeigeverfahrens ist lt. Bundesarbeitsgericht Voraussetzung für die Wirksamkeit der entsprechenden betriebsbedingten Kündigungen.
Aus § 17 Abs. 3 KSchG ergeben sich die Angaben, die der Arbeitgeber gegenüber der Agentur für Arbeit machen muss. Diese Muss-Angaben umfassen den Namen des Arbeitgebers, den Sitz und die Art des Betriebs, die Gründe für die geplanten Entlassungen, Zahl- und Berufsgruppen der zu entlassenden und in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, die Zeit, in der die Entlassungen vorgenommen werden sollen und die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenen Arbeitnehmer. Des Weiteren führt § 17 Abs. 3 KSchG jedoch auch Soll-Angaben aus. Hierzu zählen die Angaben über Geschlecht, Alter, Beruf und Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer. Bislang herrschte Einigkeit darüber, welche Angaben der Arbeitgeber in der Massenentlassungsanzeige machen muss und welche er (freiwillig) machen kann, nämlich die Soll-Angaben.
Das hessische Landesarbeitsgericht hat jedoch mit Urteil vom 25. Juni 2021 zum Aktenzeichen 14 Sa 1225/20 entschieden, dass eine Massenentlassung unwirksam sei, wenn nicht auch die Soll-Angaben in der Anzeige enthalten sind. Zur Begründung führt das LAG aus, dass die Massenentlassungsanzeige nach Artikel 3 Abs. 4 Satz 1 der Europäischen Massenentlassungsrichtlinie (eMERL) alle zweckdienlichen Angaben enthalten muss, die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen. Dabei sei kein Unterschied zwischen Soll- und Muss-Angaben zu machen. Der Gesetzgeber hat beide Kategorien von Informationen offensichtlich für zweckdienlich erachtet. Der Unterschied zwischen den Formulierungen „müssen“ und „sollen“ sei lediglich dem Umstand geschuldet, dass der Arbeitgeber stets über alle Muss-Angaben verfügt, während die Soll-Angaben nicht aus seiner Sphäre stammen und daher nur insoweit anzugeben sind, wie sie dem Arbeitgeber vorliegen. Damit hielt das hessische LAG die dem Rechtsstreit zu Grunde liegende Massenentlassungsanzeige für unwirksam, da die Soll-Angaben nicht enthalten waren. Folge dessen war die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen.
Die Entscheidung des hessischen LAG ist nicht rechtskräftig, es bleibt abzuwarten, ob ein Revisionsverfahren eingeleitet wird. Es ist aber aufgrund der Rechtsunsicherheit zu empfehlen, neben den Muss-Angaben auch die Soll-Angaben zu machen, um nicht eine Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und infolge dessen eine Unwirksamkeit der Kündigungen zu riskieren.
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Erstellt: 22. September 2021
Auszug aus "Stader Tageblatt" vom 22. September 2021
LANDKREIS. In der Kombination dürfte es ein einmaliges Aufeinandertreffen gewesen sein. In der Niedersachsenschänke in Fredenbeck diskutierten Bundestagskandidaten aus beiden „Stader Wahlkreisen“ miteinander und stellten sich den Fragen des Publikums.
Eingeladen hatte der Stader Mittelstand die Kandidaten aus den Wahlkreisen Stade I / Rotenburg II und Cuxhaven / Stade II. Die Veranstaltung hat seit 20 Jahren Tradition. Genauso Tradition hat es, dass der Mittelstand sich auf vier Parteien beschränkt: Linke und AfD sind zwar auch im Bundestag vertreten, werden aber nicht eingeladen. Eine Frau hat übrigens keine der vier vertretenen Parteien – CDU, SPD, FDP und Grüne – als Direktkandidatin aufgestellt.
Klaus-Hinrich Breuer, Geschäftsführer des Landvolks und noch zehn Tage vom Ruhestand entfernt, moderierte die Diskussion. Die Fragen kamen von den Mitgliedern der mittelständischen Verbände des Landkreises Stade. Dazu gehören der Arbeitgeberverband Stade Elbe-Weser-Dreieck, der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen, der Dehoga-Bezirksverband Stade, die Kreishandwerkerschaft Stade, das niedersächsische Landvolk, der Kreisbauernverband Stade, der Handelsverband Nordwest, der Landfrauen-Verein und Unternehmerfrauen im Handwerk.
Diese Themen wurden diskutiert
Die Themen Autobahnbau, Landwirtschaft, die Pflege und der Mangel an Fachkräften, die Stärkung der Gastronomie und die Größe des Bundestags wurden von den sieben erschienenen Kandidaten zweieinhalb Stunden lang diskutiert. Inhaltlich gab es dabei keine großen Überraschungen, aber das Auftreten der Kandidaten war interessant. Das fiel schon beim Vergleich der beiden Amtsinhaber auf. Oliver Grundmann, der für die CDU zweimal den Wahlkreis Stade / Rotenburg gewonnen hat, gab die Abteilung Attacke und warnte mehrmals vor den Folgen einer rot-rot-grünen Regierung in Berlin. „Wenn Rot-Rot-Grün kommt, ist die A 20 tot“, lautete einer von Grundmanns Sätzen. Er kennzeichnete auch die Aussetzung der Wehrpflicht und des Ersatzdienstes als schweren Fehler. „Am Spind, im Feld und im Altenheim Zusammenhalt lernen“, so Grundmanns Argumentation.
Sein CDU-Kollege Enak Ferlemann aus Cuxhaven, als Staatssekretär im Verkehrsministerium derzeit wohl der einflussreichste Politiker aus der Region, agierte da eher fachlich und zurückhaltend. Das Muster durchbrach Ferlemann, als es um das zähe Planungsrecht für große Infrastrukturprojekte und die Bedeutung der Europäischen Union ging. Ferlemann stellte klar, dass Änderungen am Planungsrecht nur auf der europäischen Ebene möglich seien. Auf die Frage, ob dann der Austritt der Briten aus der EU der richtige Schritt gewesen sei, wurde Ferlemann grundsätzlich. „Unsere Art zu leben ist das Beste“, sagte er. Konkurrenz seien nicht die anderen europäischen Länder, sondern Asien. Nur gemeinsam könne Europa seine noch vorhandene wirtschaftliche Stärke bewahren. „Außenpolitisch sind wir bereits ein Zwerg.“
Moderator Klaus-Hinrich Breuer
Bei den beiden SPD-Kandidaten, laut allen Umfragen die Einzigen, die am kommenden Sonntag eine Chance gegen die beiden Amtsinhaber haben, konnte der Stader Kai Koeser durch gute Sachkenntnis und eine abwechslungsreiche berufliche Laufbahn punkten. In einer Veranstaltung mit sechs anderen Kandidaten ist er allerdings nicht der Lautsprecher. „Der Bau der A 20 ist wichtig. In Schleswig-Holstein zeigt sich, dass dies auch mit grüner Beteiligung an einer Regierung möglich ist“, widersprach Koeser Grundmanns Befürchtungen zum Thema Autobahn.
SPD-Mann Daniel Schneider aus Cuxhaven hat laut den letzten Umfragen die Chance, Enak Ferlemann seinen Wahlkreis abzunehmen. Er sprach sich etwas zurückhaltender für die A 20 aus. Aus seiner Sicht sind Datenautobahnen mindestens genauso wichtige „Lebensadern“ wie Autobahnen und müssten dringend ausgebaut werden.
Der FDP-Mann Steven Hermeling präsentierte sich unter anderem als engagierter Vertreter der regionalen Landwirtschaft und zeigte sich als Gegner von Steuererhöhungen nach der Wahl. „Das ist kontraproduktiv“, sagte er. Bei der Frage nach Steuererhöhungen formulierte Oliver Grundmann seine Ablehnung am deutlichsten: „Mit CDU und CSU gibt es keine Steuererhöhungen.“
Die Grünen-Bundestagsabgeordneten zeigten sich inhaltlich einig, aber verschieden im Auftreten. Während Stefan Wenzel als früherer Umweltminister Niedersachsens sich zu konkreten Fragestellungen wie der Elbvertiefung positionierte, wählte Claas Goldenstein meist einen theoretischen Ansatz, und Teile seiner Ausführungen hätten auch gut in den Hörsaal einer Universität gepasst. Sein Hinweis, dass die „Schadschöpfung“ im Gegensatz zur Wertschöpfung von Handeln mitberechnet werden müsste, ist dabei sicher nicht falsch. Eines seiner Beispiele dafür: „Es wird nicht berechnet, welche Folgekosten entstehen, wenn der Staat ein Kind in Armut leben lässt.“